Die Immobilien- und Energiewirtschaft steht erneut vor weitreichenden Veränderungen: Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) setzt der Gesetzgeber neue Rahmenbedingungen, die tief in die Struktur des deutschen Energiemarktes eingreifen. Die Ziele sind ambitioniert: Mehr Flexibilität, eine bessere Integration erneuerbarer Energien und eine effizientere Nutzung der Stromnetze. Doch was bedeutet das konkret? Welche Auswirkungen hat die EnWG-Novelle auf Betreiber, Verbraucher und den gesamten Energiesektor?

Um Licht ins Dunkel zu bringen, habe ich mit Magdalena Strasburger eine Expertin interviewt, die die wichtigsten Neuerungen und ihre Konsequenzen für den Markt beleuchtet. Hier geht es nun zum Interview:

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Bisher konnten Betreiber von Photovoltaikanlagen sicher sein, dass ihr eingespeister Strom vergütet wird – auch wenn die Marktpreise vorübergehend ins Negative rutschten. Doch mit der neuen Regelung entfällt diese Vergütung in bestimmten Situationen. Wie bewerten Sie die Entscheidung, die Einspeisevergütung für Photovoltaikanlagen in Zeiten negativer Strompreise abzuschaffen? Welche Auswirkungen erwarten Sie für Betreiber und das Stromnetz?

Magdalena Strasburger: Grundsätzlich halte ich die Abschaffung der Einspeisevergütung bei negativen Strompreisen für eine notwendige Maßnahme, um die Akzeptanz der erneuerbaren Energien in der Gesellschaft zu verbessern. Die bisherige Regelung, nach der Anlagenbetreiber auch bei negativen Preisen eine Vergütung erhielten, unterstützt zu bestimmten Zeiten Überkapazitäten im Netz. Zudem führt sie zu erheblichen Kosten für das EEG-Konto, die letztlich von den Steuerzahlern getragen werden. Die neue Regelung schafft einen stärkeren Anreiz zum Eigenverbrauch und kann Betreiber motivieren, ihre Anlagen intelligent zu steuern. Wer seine PV-Anlage mit einem Energiemanagementsystem (EMS) verbindet, kann gezielt auf solche Situationen reagieren und sogar von der neuen Regelung profitieren: An das Ende des 20-jährigen Förderzeitraums werden die „ausgesetzten“ Vergütungszeiträume angehängt. Das bedeutet, dass Betreiber, die in Zeiten negativer Strompreise ihren Eigenverbrauch maximieren, auch nach Auslaufen der EEG-Förderung noch von zusätzlichen Einnahmen profitieren können.

Offen bleibt jedoch, wie diese Neuregelung konkret in eine 20-jährige Wirtschaftlichkeitsberechnungen integriert werden kann. Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage, wie lange es die EEG-Förderung in ihrer jetzigen Form noch geben wird. Viele Projekte sind inzwischen auch ohne staatliche Förderung wirtschaftlich realisierbar. Gerade im Bereich der Wohnungswirtschaft zeigt sich, dass die Vergütung für die Überschusseinspeisung unter den Erlösen liegt, die durch die lokale Nutzung des Stroms erzielt werden können. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass unkontrollierte Überschüsse zu erheblichen Problemen im Netz führen, wenn sie nicht sinnvoll genutzt oder gespeichert werden können. Die lokale Nutzung ist daher der zentrale Hebel – mit oder ohne Einspeisevergütung.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Eine weitere wesentliche Neuerung der EnWG-Novelle betrifft die Digitalisierung der Stromnetze. Neue Photovoltaikanlagen müssen mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden, die nicht nur den Stromverbrauch messen, sondern auch ferngesteuert regulierbar sind. Die EnWG-Novelle fordert die Installation intelligenter Messsysteme und Steuerungseinrichtungen für neue PV-Anlagen. Welche Herausforderungen sehen Sie bei der flächendeckenden Umsetzung dieser Technologie, und wie können Betreiber dabei unterstützt werden?

Magdalena Strasburger: Der flächendeckende Einbau von intelligenten Messsystemen (iMSys) und Steuerungseinrichtungen ist ein zentraler Bestandteil der EnWG-Novelle. Für PV-Anlagenbetreiber stellt dies jedoch in den meisten Fällen keine große Herausforderung dar. Die größeren Hürden liegen vielmehr auf Seiten der Messstellenbetreiber (MSB), die als grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) häufig mit dem regionalen Verteilnetzbetreiber identisch sind.

Damit die Digitalisierung des Energiemarktes endlich vorankommt, müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um den Rollout von Smart Metern und Steuerungssystemen effizient zu gestalten. Die Steuerbarkeit ist dabei entscheidend, um die Netze zu entlasten und eine bessere Integration der erneuerbaren Energien zu ermöglichen.

Derzeit bestehen jedoch noch viele Umsetzungsprobleme, insbesondere hinsichtlich der Kompatibilität und Interoperabilität der Systeme. Erfahrungen aus anderen Sektoren zeigen, dass der Einbau und die Nutzung intelligenter Messsysteme deutlich schneller voranschreiten könnten, wenn die regulatorischen Vorgaben praxisnäher gestaltet würden. Hier besteht dringender Nachsteuerungsbedarf.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Ein weiterer wichtiger Punkt der EnWG-Novelle ist die Erleichterung der Direktvermarktung für kleinere PV-Anlagen. Damit sollen mehr Betreiber die Möglichkeit erhalten, ihren Strom eigenständig zu vermarkten, statt sich auf feste Einspeisevergütungen zu verlassen. Mit der neuen Regelung wird die Direktvermarktung von Solarstrom auch für kleinere Anlagen erleichtert. Welche Chancen und Risiken sehen Sie in dieser Entwicklung für die Dezentralisierung der Energieversorgung?

Magdalena Strasburger: Die Erleichterung der Direktvermarktung für kleinere PV-Anlagen ist eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Marktintegration von Solarstrom. Die bisherigen Verbesserungen sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber noch nicht aus, um eine massenhafte Adoption zu ermöglichen. Daher gibt es nach wie vor nur wenige Direktvermarkter, die die Umsetzung übernehmen. Hier befindet sich der Markt noch in der Entwicklungsphase und es bedarf gebündelter Konzepte, bei denen mehrere kleinere Anlagen von einem Unternehmen in die Direktvermarktung gebracht werden.

Vor dem Hintergrund der sinkenden EEG-Vergütung und dem möglichen Wegfall der Förderung in der Zukunft ist es wichtig, dass sich Betreiber mit der Direktvermarktung auseinandersetzen. Allerdings bringt dies auch neue Herausforderungen mit sich: Während die EEG-Vergütung für 20 Jahre eine garantierte Einnahmequelle darstellt, ist die Direktvermarktung mit mehr Unsicherheiten verbunden. Gleichzeitig ergeben sich aber auch neue Chancen: Wer mehr Risiken eingeht, kann auch höhere Gewinne erzielen.

Ein weiterer positiver Aspekt der Direktvermarktung ist die Förderung der Verbrauchsoptimierung. Langfristig müssen wir erreichen, dass sich der Stromverbrauch am Stromangebot orientiert. Das erfordert einen flächendeckenden Einsatz von EMS in Gebäuden – insbesondere in Mehrfamilienhäusern, wo wir im Vergleich zu Gewerbe- oder Einfamilienhäusern noch deutlich hinterherhinken. Hier braucht es klare Impulse, um die Dezentralisierung des Energiemarktes weiter voranzutreiben.

Fazit: Viele Fragen – und viele Chancen

Die EnWG-Novelle läutet eine neue Phase in der deutschen Energiewirtschaft ein. Während sie für einige Betreiber Herausforderungen mit sich bringt, entstehen auch neue Möglichkeiten für Innovationen und eine nachhaltigere Energieversorgung.

Um auf dem Laufenden zu bleiben, nutzen Sie doch die Chance, um sich bei den folgenden Angeboten zu informieren:

Categories:

Comments are closed