Im Vorfeld der EBZ Tagung „ESG in der Wohnungswirtschaft – Nachhaltigkeit und Praxisbeispiele“ hat Bianca Skottki, Projektmanagerin Business Development der EBZ Akademie mit Peter Knoop von der DKB Bank ein Interview zur aktuellen Situation rund um die Themen ESG und Nachhaltigkeitsberichte geführt.

Peter Knoop, DKB Bank

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Wie beurteilen Sie die aktuelle Rolle von Investoren und Finanzmärkten in der Förderung von ESG in der Wohnungswirtschaft?

Peter Knoop: Die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur gelingt, wenn alle Akteur*innen ihren Teil beitragen. Für die Wohnungswirtschaft bedeutet das CO2-Emissionen senken, klimafreundliche Baustoffe entwickeln, sanieren und trotz allem sozialen Wohnraum anbieten. Für die Finanzwirtschaft bedeutet das vor allem Kapital bereitstellen, denn die nachhaltige Transformation ist auch in finanzieller Sicht ein Mammutprojekt.

Durch die EU-Taxonomie ist klar: Banken haben in der Transformation die Aufgabe, Finanzströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. In der Kreditvergabe nehmen ESG-Kriterien deswegen eine immer größere Rolle ein. Entscheidend für die Frage, ob ein Projekt nachhaltig ist oder nicht, sind Daten – Daten, die nach objektiven Kriterien eine Einschätzung erlauben. Auch wenn das Datenmanagement massiv wächst, haben wir Stand heute insgesamt zu wenig und vielfach nicht intelligent vernetzte Daten. Für die Kreditvergabe benötigen wir eine aussagekräftige Datengrundlage zu energetischen Eigenschaften von Sicherungs- und Finanzierungsobjekten, geplanten Investitionen und Mietentwicklungen sowie Informationen zur Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen.

Sinnvoll wäre deshalb die Einrichtung eines Gebäudeenergieausweiskatasters auf Bundesebene. So wie es in vielen Nachbarländern bereits seit Jahren Usus ist und auch hier seit geraumer Zeit gefordert wird. Im digitalen 21. Jahrhundert muss es gelingen, die für Nachhaltigkeit neu produzierten Datenberge von Anfang an intelligent zu vernetzen und allen entsprechenden Stakeholdern zur Verfügung zu stellen. Spätestens mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie muss ein solches Kataster eingeführt werden. Um die Klimaziele in der Wohnungswirtschaft zu erreichen, sollte Deutschland proaktiv handeln. Staat und Marktteilnehmer würden beidseitig profitieren.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welche konkreten Maßnahmen hat die Wohnungswirtschaft bereits zur Umsetzung von ESG-Kriterien ergriffen und welche Auswirkungen haben diese bisher?

Peter Knoop: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die Immobilienwirtschaft ist ebenso wie alle anderen Branchen besonders gefragt, die Dekarbonisierung voranzutreiben. Und tut dies auch! Die Branche hat in den letzten Jahren ihre Anstrengungen deutlich verstärkt.

Zugleich stellen die Klimaziele für die Wohnungswirtschaft eine große Herausforderung dar – je nach Entwicklungsstand der einzelnen Unternehmen und ihrer Immobilien. Die Aufgabe, bis 2045 einen klimaneutralen Bestand vorzuweisen, erscheint besonders schwer lösbar mit Blick auf die Zielkonflikte von ökologischer und sozialer Verantwortung sowie dem ökonomischen Erfolg. Zusätzlich wird durch die Vielzahl von Krisensituationen die Handlungsfähigkeit der Wohnungswirtschaft immer wieder eingeschränkt. Insofern werden die Klimaziele nur mit Hilfe eines verlässlichen Rechtsrahmens zur Planungssicherheit und langjährig ausgerichteter, umfangreicher Fördermittelprogramme erreichbar sein.

Viele Wohnungsunternehmen haben umfangreiche Steuerungsprozesse zur Identifikation von ESG-Risiken im Bestand implementiert und langjährige Investitionspläne für Neubau und Modernisierung erstellt, ausgerichtet auf Wirtschaftlichkeit sowie unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Umlagen auf die Mietbelastung und Versorgungssicherheit. Die politischen Rahmenbedingungen haben diese Prozesse leider nicht im erforderlichen Umfang verlässlich flankiert.

In unserem Podcast „Entschieden Nachhaltig“, der jeden Monat einen neuen Impuls für eine nachhaltigere Wirtschaft bietet, hat Christiane Weitner von der GAG Immobilien AG aus Köln erklärt, wie sie es geschafft haben, gebäudegenaue Nachhaltigkeitsdaten zu erfassen und darauf basierend Klimapfade zu entwickeln – ein Best Practice der Branche. Hier geht’s zur Folge: https://open.spotify.com/episode/0ncirLpUomlvh3emraxObj

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Können Sie die zukünftige Richtung von ESG in der Wohnungswirtschaft skizzieren? Welche Trends und Entwicklungen sollten wir in den nächsten Jahren beobachten?

Peter Knoop: Nachhaltigkeit wird für strategische Unternehmensentscheidungen immer wichtiger – sowohl für die Kreditgeber als auch die Wohnungswirtschaft. Reportingpflichten nehmen für alle Marktteilnehmer zu und rücken die Transformation des Gebäudebestandes noch stärker in den Fokus. Eine der größten Herausforderungen für die Wohnungsunternehmen ist der Zielkonflikt aus ökologischer Nachhaltigkeit und der sozialen Frage des bezahlbaren Wohnens. Mit Blick auf die nächsten Jahre sehe ich insbesondere drei Entwicklungen:

1. Planungsprozesse werden grundsätzlich so organisiert werden, dass ein digitaler Zwilling des Gebäudes alle Informationen zu energetischen Eigenschaften von Bauteilen, ihrer Herkunft und ihrer Wiederverwertbarkeit dokumentiert. Die Bestandsimmobilie wird zum potenziellen Bauteillager zukünftiger Neubauten.

2. Das Thema modulares und serielles Bauen wird eine Renaissance erfahren: Modularität in Neubau und Sanierung kann einen Beitrag zur Kosteneindämmung und damit zur Verfügbarkeit von Wohnraum zu tragfähigen Mietbelastungsquoten leisten, ohne die städtebauliche Qualität zu reduzieren.

3. Die vielleicht wichtigste Entwicklung wird das noch engere Aneinanderrücken von Wohnungswirtschaft und Energiewirtschaft sein. Die Energiewende geht mit vielen einzelnen dezentralen Energieerzeugungsanlagen und Speichern einher. Noch viel stärker wird Quartiersentwicklung in den nächsten Jahren auch Energiemanagement bedeutet: Kaum ein Neubau ohne PV, Speicher oder E-Ladestation.

Wollen Sie mehr erfahren? Wollen Sie sich mit anderen Branchenvertreterinnen und Branchenvertretern vernetzen? Dann sichern Sie sich einen der letzten Plätze unter: ebz-training.de

Categories:

Comments are closed