Im Vorfeld der EBZ Tagung „zur Tagung „Energie von unten – Potenziale nachhaltiger Wärmequellen wie Geo-, Aqua- und Abwasserthermie“ hat Bianca Skottki, Projektmanagerin Business Development der EBZ Akademie mit den Experten ein Interview zum Potenzial und den Herausforderungen von Abwasser-, Aqua- und Geothermie geführt.
Die Interviewten sind:
- Axel Gedaschko, GdW
- Jörg Lorenz, CO2zero
- Prof. Dr. Bodo Lehmann, DMT/TÜV Nord Group
- Prof. Dr. Ingo Sass, Helmholtz-Zentrum Potsdam
- Matthias Schmitz-Peiffer, HOWOGE Wärme GmbH
- Christian von Drachenfels, UHRIG Energie GmbH
Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welche Chancen und Vorteile bieten sich Wohnungsunternehmen, die auf Nullemissionen im Quartier als Zielbild hinarbeiten, sowohl in Bezug auf ihre langfristige Unternehmensstrategie als auch für ihre Mieter?
Axel Gedaschko: Bestandsanalyse, Potentiale erkennen und aus beidem ein Unternehmensziel schaffen: das bedeutet interne Handlungs-Transparenz und für die Bewohner Klarheit für ihre Wohnsituation. Und für die Kommune ist dies ein wesentlicher Baustein für die Wärmeplanung.
Prof. Dr. Bodo Lehmann: Durch eine gründliche Gesamtbetrachtung aller aktuellen Energie-/Wärmeverbräuche ist eine ganzheitliche Entwicklung zur Nullemission möglich. Hierbei ist es denkbar, dass nicht nur die Tiefengeothermie lokal zum Tragen kommt, sondern eine großräumigere Energie-/Wärmewende realisiert werden kann.
Jörg Lorenz: Die Erschließung unausgeschöpfter Potenziale fokussiert zunächst die größte zur Verfügung stehende Ressource, die Tiefengeothermie mit Erschließungs- und Verteilungskosten von € 25 – 50 je geförderter MWh Heizwärme. Neben dem Preisvorteil ist diese Energie sicher, da es keine Witterungseinflüsse gibt. In Verbindung mit ausreichend PV-Energie vom Dach kann so eine – fossilfreie – Nullemissionsplanung umgesetzt werden, die zudem dafür sorgt, dass keine CO2-Abgaben auf den Heizenergieträger mehr entstehen und alle Mieter klimaneutral heizen können.
Prof. Dr. Ingo Sass: Kostengünstige Versorgungssicherheit, Autarkie, Erreichung Klimaziele, überzeugende Inhalte für den ESG-Report, Erfüllung der Erwartung der Mieter, optimale Zukunfts-Aufstellung.
Matthias Schmitz-Peiffer: Langfristig werden klimafreundliche Versorgungslösungen kostengünstiger sein. Um klimafreundliche Versorgungslösungen planen, realisieren und betreiben zu können, haben wir vor 8 Jahren begonnen Personal aufzubauen und weiterzubilden.
Christian von Drachenfels: Die Quelle hat eine bestehende Infrastruktur, die sich häufig in der Nähe von Wärmebedarfsträgern befindet. Die technische Erschließung der Abwasserwärme ist etabliert und lokale Potenziale lassen sich vergleichsweise schnell und einfach abklären. Es braucht aber eine gute Kooperation mit dem Kanalnetzbetreiber, um die Quelle zu erschließen und zu nutzen. Damit sollte man sofort anfangen, dann ist es realistisch in kurzer Zeit Projekte umzusetzen.
Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welche langfristigen Vorteile sehen Sie an dem Quartiersansatz?
Axel Gedaschko: Gemeinsam kann schneller mehr und günstiger erreicht werden, als wenn jeder einzeln versucht zu planen und umzusetzen.
Prof. Dr. Bodo Lehmann: Vorteil wäre, dass man ein Quartier als eine in sich autarke Einheit betrachten und entwickeln könnte.
Jörg Lorenz: Für die Wohnungswirtschaft gilt: groß denken, quartierbezogen handeln! Hier kann im Quartieransatz tiefe Geothermie erschlossen und sinnvoll verteilt werden. Ganze Nahwärme-Netze können so entstehen. Für kleinere Zusammenschlüsse mehrerer MFH bleibt die mitteltiefe und für kleinere Vorhaben die oberflächennahe Geothermie mit Boden- und Brunnenspeichern, Grabenkollektoren, Heizzäunen, Eisspeichern etc.
Prof. Dr. Ingo Sass: Weitere Akteure können sinnvoll in einen ganzheitlichen Quartieransatz integriert werden wie Versorger, externe Gebäudebesitzer, Partner aus sektor-gekoppelten Prozessen der Mobilität, PV, Dienstleister
Matthias Schmitz-Peiffer: Klimafreundliche Versorgungslösungen berücksichtigen Wärme, Kälte und Strom mit einem erheblichen Anteil, der vor Ort erzeugt wird, werden langfristig kostengünstiger sein. Strom ist dabei der „besondere Saft“ der die Sektoren verbindet (Sektorkopplung).
Christian von Drachenfels: Vor allem die frühzeitige Einbindung des Kanalnetzbetreibers, um alle technischen und ggf. rechtlichen Fragen auf dem Weg zu einer Nutzungsvereinbarung möglichst frühzeitig zu klären. Zudem sollte das Potenzial vor Ort durch eine Messung validiert werden – auch dies sollte möglichst frühzeitig angestoßen werden.
Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie beim Thema Tiefengeothermie?
Axel Gedaschko: Wo immer Tiefengeothermie geht, ist sie ein echter Gamechanger für die bezahlbare Wärmewende. Langfristig verlässlich, unabhängig von fragwürdigen Lieferstaaten und auch in Zeiten der Dunkelflaute immer da: das ist ein Schatz, der unter vielen Regionen gehoben werden kann. Mögliche Bohrrisiken der Vergangenheit sind durch langjährige Erfahrung überwunden. Aber für den Anfang ist ein großes Invest nötig. Dies wird jetzt allerdings durch eine ausgezeichnete Förderung sehr viel leichter gemacht.
Prof. Dr. Bodo Lehmann: Chance ist, dass die Tiefengeothermie 24/7 sehr wirtschaftlich und wartungsarm verfügbar wäre. Herausforderungen wären, das Fündigkeitsrisiko transparent und einfach zu regeln sowie die hohen Startinvestitionen z.B. mit günstigen Krediten zu ermöglichen.
Jörg Lorenz: Die Chance besteht in der zeitnah möglichen Erschließung richtig großer Ersatz-Energiemengen im Quartier bei letztendlich günstigerer Preisgestaltung als aktuell. Die aktuellen BEW-Förderbedingungen sind ein wirkliches Momentum für Quartierplaner; solche massiven Unterstützungsleistungen hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Die Herausforderung ist die mangelnde Erfahrung im Umgang mit dieser Technik speziell im wohnungswirtschaftlichen Bereich. Daher kommen die aktuell entstehenden Landesprogramme für Reallabore gerade richtig.
Prof. Dr. Ingo Sass: Chancen: Option auf die Erschließung von 300 TWh/a für den Wohnungs- und Nichtwohnungsbau nur aus tiefer Geothermie, große Potenziale aus mittlerer und oberflächennaher Geothermie. Herausforderungen: neues Anwendungsfeld in Wohnquartieren, neue Handlungsfelder mit Versorgern und Contractoren.
Matthias Schmitz-Peiffer: Tiefe Geothermie ist ein wesentlicher Teil der Wärmewende.
Christian von Drachenfels: Bedingt durch die kleinteilige Organisation der Abwasserwirtschaft in Deutschland steht das Thema in jeder Stadt und jeder Kommune an einer unterschiedlichen Stelle. Es gibt Städte wie Berlin, Köln, Mannheim und Stuttgart, in denen schon viele Projekte umgesetzt wurden und die teilweise auch eigene Abwasserwärme-Potenzialkarten haben. In anderen Städten und Kommunen ist das Thema zuweilen noch gar nicht bekannt. Leider gibt es auch Städte und Kommunen, in denen sich der Kanalnetzbetreiber gänzlich gegen eine Erschließung sperrt – dafür kann es punktuell bei einer Projektidee gute Gründe geben, in der Gesamtheit ist es jedoch nicht plausibel nachvollziehbar.
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