Im Vorfeld des EBZ Führungsforums „ESG in der Wohnungswirtschaft – Nachhaltigkeit und Praxisbeispiele“ hat Bianca Skottki, Projektmanagerin Business Development der EBZ Akademie mit den Experten des Führungsforums ein Interview zur aktuellen Situation rund um die Themen ESG und Nachhaltigkeitsberichte in der Wohnungs- und Immobilienbranche geführt.

Die Interviewten sind:

  • Christian Gebhardt, Leiter Betriebswirtschaft, GdW und Vorstand der GdW Revision AG
  • Maria Blume, Dozentin, HTW Berlin
  • Isabell Gaubatz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, InWis Forschung und Beratung GmbH
  • André Kazmierski, Geschäftsführer, Stadtbau Aschaffenburg
  • Lisa-Maria Homagk, Mitarbeiterin, Quantum Immobilien AG
  • Roland Keich, Geschäftsführer der GSF Gesellschaft für Strategie- und Finanzierungsberatung mbH 
  • Michael Roweda, Bereichsleiter und Prokurist, Volksbank Sprockhövel eG
  • Waldemar Penner, Mitarbeiter, GEWOBAU Gesellschaft für Wohnen und Bauen

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Wie beurteilen Sie die aktuelle Rolle von Investoren und Finanzmärkten in der Förderung von ESG in der Wohnungswirtschaft?

Maria Blume: Hierzu kann ich eine aktuelle Studie „Sustainability Transformation Monitor“ empfehlen. Sie zeigt auf, dass die Finanzwirtschaft und ESG immer mehr verschmelzen.

Isabell Gaubatz: Mieterqualität sowie Mietdauer waren lange Zeit die nahezu einzigen Kriterien, um die Renditeerwartung eines Objektes messen zu können. In den letzten Jahren lässt sich jedoch wahrnehmen, dass auch ESG-Kriterien bei Transaktionen an Bedeutung dazu gewinnen und der Anteil der ESG-orientierten Immobilieninvestoren zunehmend steigt. Gebäude, die nicht ESG-konform sind, haben heute eine deutlich geringere Renditeerwartung. Zudem haben Studien ergeben, dass ein höherer CO2-Ausstoß den Diskontierungssatz steigen lässt und somit den Markt negativ beeinflusst.

Christian Gebhardt: Es herrscht große Verunsicherung bei der Anwendung der Taxonomie-Anforderungen. Banken behelfen derzeit sich mit eigenen ESG-Kriterienkatalogen.

Lisa-Maria Homagk: Dem Finanz- und Immobiliensektor kommt bei der Umsetzung von ESG eine besondere Bedeutung zu. Zum einen, weil der Gebäudesektor für einen großen Teil der nationalen und globalen Emissionen verantwortlich ist und wir alle in Gebäuden leben und arbeiten. Zum anderen, weil durch den EU Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums die Kapitalströme gezielt in nachhaltige Aktivitäten gelenkt werden und Transparenz gefördert (und gefordert) wird. Bei Investitionsentscheidungen werden daher Nachhaltigkeitsaspekte zunehmend berücksichtigt.

André Kazmierski: Investoren geben den Ton an. Zukünftig wir aber das Kapital der stärkste Treiber von ESG sein.

Roland Keich: Die Märkte dynamisieren aktuell das Thema ESG in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Die Kapitalmärkte präferieren eindeutig ESG-Anlagen, Anleihen in diesem Bereich sind meist mehrfach überzeichnet. Kreditinstitute werden derzeit vom Aufsichtssystem auf allen Ebenen zur Analyse ihrer ESG-Risiken veranlasst, so dass dies Thema auch den klassischen Bankkredit erfasst. Zugleich haben es nicht-nachhaltige Immobilienprojekte in der jetzigen Marktlage deutlich schwerer als ESG-konforme Projekte. Investoren suchen ESG-Projekte, da sie auch künftig garantieren, marktkonform zu bleiben.

Waldemar Penner: Ja, da der DNK bereits einen Großteil der benötigten Kriterien abdeckt und einen niederschwelligen Einstieg in die Berichterstattung bittet. 2026 steht man dann nicht mit nichts da, sondern muss dann nur noch fehlende Angaben ergänzen.

Michael Roweda: Momentan ist die Finanzindustrie noch recht unsicher und verhalten, wie sie mit dem Thema ESG umgehen soll. In den Arbeitsanweisungen der Kreditindustrie ist zwar alles verankert, aber noch nicht mit Leben gefüllt. Leider fehlen auch Standards seitens Bankenaufsicht und Politik. Das macht es der Wohnungswirtschaft schwer, sich auf die Bankgespräche einzustellen, da immer ähnliche, aber dennoch andere Fragen rund um das Thema ESG gestellt werden.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welche konkreten Maßnahmen hat die Wohnungswirtschaft bereits zur Umsetzung von ESG-Kriterien ergriffen und welche Auswirkungen haben diese bisher?

Maria Blume: Zwei Themen fallen mir direkt ein! Social (S) = Wohnraum in Deutschland anbieten und ausbauen sowie Environment (E) = Bestandsmodernisierungen und das Investment in bestehende Gebäude zum Klimaschutz

Isabell Gaubatz: Die Fakten und Daten zeigen deutlich, dass in der Wohnungswirtschaft bereits viele sehr gute Projekte und Maßnahmen rund um ESG-Themen angegangen und umgesetzt wurden. Dazu gehören beispielsweise die Erprobung innovativer Ansätze zum seriellen Bauen und Sanieren sowie das Installieren von klimagerechten Heizsystemen, aber auch die Umsetzung von CO2-Strategien und Nachhaltigkeitsberichten. Leider konnte trotz enormer Anstrengungen und massiver Investitionen im Gebäudesektor in den letzten zehn Jahren keine signifikante Reduktion der Emissionen bei den bundesweiten Emissionen erreicht werden. Laut Umweltbundesamt wurde die Jahresmissionsmenge im Jahr 2022 wie schon im Vorjahr überschritten.

Christian Gebhardt: Die Wohnungswirtschaft hat mit der branchenspezifischen Ergänzung zum DNK bereits in 2014 einen handhabbaren Vorschlag für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erarbeitet. Dieser wurde in 2022 aktualisiert.

André Kazmierski: Viel mehr als man glaubt. Das Geschäftsmodell u.a. kommunaler Wohnungsbauunternehmen ist ein grundsätzlich nachhaltiges Geschäftsmodell und in einer großen Nachhaltigkeitsdebatte durchaus auch erwähnenswert. Nicht nur das Geschäftsmodell ist grundsätzlich nachhaltig. Ebenfalls ist es der geschäftliche Alltag und das Engagement in Sachen Klimaschutz – das ist nicht neu.

Roland Keich: Die Nutzung im Neubau von KfW-Fördermittel mit QNG-Siegel oder andere Zertifikate sowie die Entwicklung von Dekarbonisierungsstrategien für die Immobilienportfolien sind wichtige Maßnahmen, die die Wohnungswirtschaft bereits ergriffen hat. Neue Baumaterialien wie Holzbau und R-Beton verbreiten sich allmählich. Der GdW bietet über den NaWoh e.V. einen EU-Taxonomie-Check an, erste Unternehmen sind hier im Prüfungsprozess. Die großen Unternehmen sind dabei, sich auf die CSRD-Berichterstattung vorzubereiten. Damit entwickelt sich gerade viel und es entsteht ein riesiger Bedarf nach Qualifikation, Fachkräften und IT-Lösungen sowie nach staatlicher finanzieller Unterstützung für die Kostendynamik durch den Umbau zur nachhaltigen Immobilienwirtschaft.

Waldemar Penner: Ja, das macht durchaus Sinn, da Banken die Abfrage vermutlich auch bei kleineren Unternehmen machen werden und diese sonst einen Nachteil ggü. großen Unternehmen hätten.

Michael Roweda: Die Wohnungsunternehmen, die sich bereits auf die Reise gemacht, einen Masterplan zur Umsetzung des Dekarbonisierung bis 2045 zu erstellen und die ersten Umsetzungsschritte machen, haben es deutlich einfacher. Die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichtes ab 2025 wird sicherlich viel Dynamik freisetzen, aber auch ein Stressor für die Unternehmen sein.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Können Sie die zukünftige Richtung von ESG in der Wohnungswirtschaft skizzieren? Welche Trends und Entwicklungen sollten wir in den nächsten Jahren beobachten?

Maria Blume: Die Digitalisierung und Datenerfassung werden eine immer wichtigere Rolle spielen, um auch den Erfolg von durchgeführten ESG-Maßnahmen zu analysieren.

Isabell Gaubatz: Die zunehmende Regulierung auf nationaler und EU-Ebene sowie das erhebliche CO2-Reduktionspotenzial des Gebäudesektors mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität, wird dem Thema in Zukunft noch mehr Antrieb verleihen. Eine innovationstreibende Rolle wird in diesem Zusammenhang das Thema Digitalisierung einnehmen, denn wer seine Aktivitäten und Ziele in puncto Nachhaltigkeit transparent machen möchte, ist zwangsläufig auf eine solide Datenqualität angewiesen. Zum jetzigen Stand ist das bei einer Vielzahl von Unternehmen noch nicht der Fall. Fakt ist aber: Nur wer sein Unternehmen entsprechend der ESG-Themen ausrichtet, bleibt wettbewerbsfähig.

Christian Gebhardt: Das Thema wird aufgrund der zunehmenden Regulatorik weiter an Bedeutung gewinnen. Zu nennen sind hier die europäische Gebäuderichtlinie, die EU-Taxonomie und die ESRS-Standards. Problemtisch ist, dass die Komplexität steigt und damit auch der Berichtsaufwand.

André Kazmierski: Eine Richtung oder ein Trend wird die zunehmende Vergleichbarkeit sein. Es gibt noch keinen allgemeingültigen Standard, der den ESG – Score für alle Unternehmen der Branche vergleichbar macht. Allerdings gibt es extrem viele Bemühungen diesen Standard zu etablieren.

Roland Keich: ESG treibt die Unternehmen zu einem nachhaltigen Unternehmens- und Finanzmanagement. Über früh oder spät wird dies über die mittelgroßen und großen Unternehmen das Thema auch alle anderen Immobilienunternehmen erreichen. Dazu wird es als Unterstützung in absehbarer Zeit IT-Lösungen geben und ESG-Kriterien werden selbstverständlich in der Unternehmenssteuerung, Investition und Finanzierung. Die Kreditangebote werden mit ESG-Anforderungen verknüpft, Investitionskonzepte werden ohne ESG nicht auskommen und Nachhaltigkeit findet überall im Controlling Einzug. Hier sollte bei jedem Unternehmen bereits heute ein Strategieworkshop erfolgen und festgelegt werden, in welchem Zeitraum welcher Bereich umgestellt wird und was dazu beobachtet bzw. wann geschaffen werden soll.

Waldemar Penner: Im Idealfall macht man erst eine Wesentlichkeitsanalyse, daraus erstellt man eine Nachhaltigkeitsstrategie und im Nachhinein berichtet man darüber. Aber der DNK hat den Vorteil, dass man auch Zeithorizonte und auch Gründe angeben kann, z.B. weshalb man etwas noch nicht macht oder auch nicht plant einzuführen. Das ermöglicht eine Berichterstattung ohne vorherige Schritte, bzw. diese können parallel laufen.

Michael Roweda: Meines Erachtens tut sich bereits einiges in den Wohnungsunternehmen, aber mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Einige Gesellschaften versuchen das Thema immer noch auszusitzen, nach dem Motto: „Es kommt schon nicht so schlimm!“. Der Baustein „E“ (Umwelt) ist nur einer von dreien. Und die Herausforderungen „G“ und „S“ legt aktuell jeder Marktteilnehmer individuell. Hier müssen noch verbindliche Leitplanken entwickelt werden. Aber auch darauf muss sich die Wohnungswirtschaft einstellen bzw. vorbereiten.

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