Am 10. und 11. April 2024 findet wieder das jährliche EBZ Führungsforum „Klimaneutralität und Energiemanagement“ statt. Im Vorfeld hat Bianca Skottki, Projektmanagerin der EBZ Akademie, ein Interview mit drei teilnehmenden Experten zu den Kernthemen der Veranstaltung geführt.

Die Interviewpartner:


Benjamin Hanne

Referent für Digitalisierung | VdW Südwest



Felix Lüter

Geschäftsführender Vorstand | Initiative Wohnen.2050



Dr. Dennis Metz

CEO | othermo GmbH


Bianca Skottki, EBZ Akademie: Wie bewerten Sie die aktuellen regulatorischen Anforderungen zur Klimaneutralität in Bezug auf die Wohnungswirtschaft und Immobilienbranche?

Benjamin Hanne: Ohne den regulatorischen Druck wird es nicht klappen. Er ist der entscheidende Push den die Wohnungswirtschaft braucht, um in die Klimaneutralität zu starten. Gleichzeitig haben wir hier auch einen klaren Vorschlag wo es hingehen soll und wie der Weg zur Klimaneutralität zu gestalten ist. Deswegen freue ich mich über die neuen regulatorischen Anforderungen, denn sie sind nicht nur eine Herausforderung, sondern auch ein Lösungsweg.

Felix Lüter: Nur mit einer defossilisierten Wärmeversorgung kann der Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral werden. Die Umsetzung stellt für soziale Wohnungsunternehmen eine dreifache Herausforderung dar:

  • Erstens haben wir Portfolien und keine Einzelgebäude. D.h. wir müssen kostenminimierte Lösungen finden, die wir x-fach im Bestand wiederholen können.
  • Zweitens verbleibt nur noch die Hälfte der üblichen Bestandsinvestitionszyklen. Somit müssen wir unsere Gebäude in mindestens doppelter Geschwindigkeit auf Klimaneutralität umrüsten.
  • Drittens ergibt sich aus unserem Kernauftrag, einer preisgünstigen Wohnungsversorgung und den aktuellen wirtschaftlichen Rahmungen eine bislang nicht auflösbare Finanzierungslücke.

Da sich die Herausforderungen mit jedem Jahr potenzieren, ist abwarten keine Option. Wir wollen und müssen also in die Defossilisierung unserer Bestände investieren so gut es geht. Selbst bei der Minimierung der Ausgaben auf die zwingend betriebsnotwendigen und wohnungswirtschaftlich erforderlichen Investitionen in den Bestand können die allermeisten von uns aktuell allerdings die Finanzierungslücke nur verkleinern, nicht aber schließen.

Den notwendigen Investitionen in die klimaneutrale Bestandsentwicklung sind also harte wirtschaftliche Grenzen gesetzt. Wir benötigen entsprechend zwingend tragfähige gesamtgesellschaftliche Lösungen, die uns die Umsetzung im erforderlichen Maß ermöglichen.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen und Hindernisse, um Klimaneutralität in der Wohnungswirtschaft und Immobilienwirtschaft zu erreichen?

Benjamin Hanne: Das strenge Abteilungs- und Silodenken in der Wohnungswirtschaft. Selten wird wirklich zusammengearbeitet, selten versteht der eine, was der andere macht und noch seltener werden die Überschneidungspunkte zwischen Mitarbeitende und Abteilungen gefunden.

Felix Lüter: Neben der schon erwähnten Bezahlbarkeit sehe ich weiterhin eine große Verunsicherung in der Branche, was die richtigen Technologien und Vorgehen sind. Hier kann die Initiative Wohnen.2050 mit der Praxiserfahrung von über 220 Wohnungsunternehmen und der fachlichen Hilfestellung unseres Vereins einen wertvollen Beitrag leisten.

Zudem darf die kommunale Wärmeplanung nicht zu einer zahnlosen Bremse werden. Es gibt sehr positive Beispiele konstruktiver Zusammenarbeit aller wesentlichen Akteure – Wohnungswirtschaft eingeschlossen – bei denen die Wärmeplanung wirklich einen Beitrag leistet, volkswirtschaftlich sinnvolle Lösungen über die Sektoren zu finden und Planungssicherheit zu geben. Leider gibt es auch das Gegenteil: die KWP darf nicht zu einer halbherzigen Pflichtübung für die Schublade werden, die uns Mitte 2026, bzw. 2028 genau da zurücklässt, wo wir heute stehen. Alle Akteure der Wärmewende müssen an einem Strang ziehen, um belastbare teilräumliche Klarheit über die zukünftige Wärmeversorgung, den Ausbau von Stromnetzen und den Rückbau von Gasnetzen zu erhalten.

Und dann muss man glasklar sagen, dass für einen Großteil der Bestandsgebäude schlicht eine gebäude- oder quartiersbezogene Versorgung die einzige Option sein wird.

Dr. Dennis Metz: Die notwendigen Investitionskosten, um den Energiebedarf der Gebäude zu reduzieren und den Primärenergieträger auszutauschen, sind eine große Belastung. Die notwendigen Technologien stehen zur Verfügung, aber die Planung und Entscheidungsfindung ist gerade für kleine Wohnungsunternehmen komplex. Daraus resultiert vielfach ein „Stau“ in der Umsetzung. Einer der Hauptgründe dafür ist die Unsicherheit. Mit Verabschiedung des GEG hat der Gesetzgeber inzwischen den regulatorischen Rahmen deutlicher besser definiert, es gibt aber nach wie vor eine Vielzahl an Fragezeichen. Die Erreichung der Klimaziele wird mit jedem weiteren Verzug allerdings schwieriger. Einfachen und kostengünstigen Lösungen, die sich gut und schnell skalieren lassen, kommt somit eine wichtige Rolle zu.

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welche Initiativen oder Maßnahmen betrachten Sie derzeit in Ihrer Branche als gewinnbringend?

Benjamin Hanne: IW2050 und alle Initiativen, die aus der Notwendigkeit gewachsen sind und vor allen Dingen dazu dienen, die Informationsfülle auf das Wesentliche zu reduzieren.

Felix Lüter: Der GdW hat mit der Rahmenvereinbarung zum seriellen Bauen eine wichtige Grundlage geschaffen, den Neubau auch in schwierigen Zeiten nicht ganz zum Erliegen kommen zu lassen. Ansonsten möchte ich gerne auf eine aktuelle Studie der EBS im Auftrag des GdW zur Definition eines Nullemissionsgebäudes verweisen: https://www.gdw.de/media/2024/03/mueller_2024_zeroemissionbuilding_geg_gdw_final.pdf

Auf Unternehmensebene gibt es viele beeindruckende Beispiele, wie man die Defosssilisierung fachlich erfolgreich angehen kann. Darauf werde ich im Rahmen meines Vortrages beim Führungsforum eingehen. Und die Angebote der EBZ zum Thema sind auf jeden Fall empfehlenswert.

Dr. Dennis Metz: Eine Novellierung der Wärmelieferverordnung ist dringend angebracht. Der bisherige Ansatz berücksichtigt den Zeitenwandel und die enormen Investitionskosten beim Umstieg auf Erneuerbare nicht. Auch beim Thema Legionellen sollte sich die Regulatorik weiterentwickeln: die aktuell notwendigen hohen Systemtemperaturen erfordern hohe Temperaturen in Nahwärmenetzen und bei zentraler Trinkwasserbereitung.

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