Im Vorfeld zur EBZ Tagung „Kommunale Wärmeplanung“ hat Bianca Skottki von der EBZ Akademie ein Interview mit Experten zu diesem Thema geführt. Interviewpartner waren Axel Gedaschko (Präsident des GdW), Alexander Rychter (Verbandsdirektor VdW Rheinland Westfalen), Felix Lüter (geschäftsführender Vorstand der Initiative Wohnen.2050) und Bernd Schnabel (Geschäftsführer des Campus-EW).

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Welches Potenzial bietet die kommunale Wärmeplanung für die Wohnungswirtschaft in Deutschland und insbesondere in NRW. Warum wird es noch nicht voll ausgeschöpft?

Axel Gedaschko: Das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz) tritt am 01.01.2024 in Kraft. Dann ist je nach Größe der Kommune Zeit bis 2026 bzw. 2028 für die Umsetzung. Wir erhoffen uns eine bezahlbare grüne Wärme aus den Wärmenetze und die Möglichkeit, weitere Gebäude anzuschließen.

Felix Lüter: Wenn alle wichtigen Anspruchsgruppen von Anbeginn gemeinsam Rahmenbedingungen, Ziele und Vorgehen festlegen, kann die Chance bestehen, wirklich sinnvolle und kostenoptimierte Lösungen zu entwickeln. Im besten Fall sind auch Untersuchungen verschiedener Wärmeversorgungsszenarien für Teilräume Teil der Konzeption. Aktuell sehe ich die Gefahr, dass die Planung als Pflichtaufgabe ohne Umsetzungszwang möglichst aufwandsarm und zu geringen Planungskosten umgesetzt wird.

Alexander Rychter: Kommunale Wärmepläne enthalten grundlegende Informationen, die Wohnungsunternehmen und -genossenschaften für eine erfolgreiche, effiziente Wärmewende benötigen. Im besten Fall werden die lokalen Potenziale für erneuerbare Energien bestmöglich ausgeschöpft und auf die Voraussetzungen der örtlichen Gebäudebestände abgestimmt. So können Ressourcen und Fachkräfte gezielt eingesetzt und dadurch Engpässe und höhere Kosten vermieden werden.

Das Gesetz wurde jetzt gerade erst verabschiedet. Es gibt viele Kommunen, die sich schon vorher auf den Weg gemacht haben, andere stehen noch ganz am Anfang. Dann müssen erst die relevanten Stakeholder identifiziert und zusammengebracht werden, bevor die eigentliche Planung beginnt. Nur wenn alle örtlichen Kräfte zusammenarbeiten – das schließt örtliche Wohnungsunternehmen und -genossenschaften mit ein – kann die Planung effizient erfolgen und der kommunale Wärmeplan am Ende den Informationsgehalt haben, den es für eine erfolgreiche Wärmewende braucht.

Bernd Schnabel:

  • Integration erneuerbarer Energien
  • Energieeffizienz und Kosteneinsparung
  • Gebäudesanierung und Modernisierung
  • Nachhaltigkeit und Image
  • Langfristige wirtschaftliche Stabilität

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Inwiefern kann die Wohnungswirtschaft proaktiv an der kommunalen Wärmeplanung mitwirken, statt auf die Energiewirtschaft zu warten?

Axel Gedaschko: Es geht bei der kommunalen Wärmeplanung um einen Abgleich der vorhandenen Pläne. Rechnet sich für den Energieversorger ein Wärmenetzausbau, wenn in dem in Frage kommenden Gebiet durch die Wohnungswirtschaft kleine Gebäude mit niedriger Energienachfrage geplant sind? Warum soll ein Wohnungsunternehmen eine Wärmepumpe einbauen, wenn an dem Standort in sieben Jahren ein Wärmenetzausbau geplant ist? Welchen Energieverbrauch muss das Netz in zehn Jahren decken, werden die angeschlossenen Gebäude noch einmal saniert oder eher nicht? Wo ist nicht mit einem Wärmenetzausbau zu rechnen? Das Wissen der Wohnungswirtschaft ist entscheidender Bestandteil einer Wärmeplanung, auch wenn der Gesetzgeber sich nicht durchringen konnte, eine pflichtweise Beteiligung vorzusehen. In den Kommunen wird der Zusammenhang aber erkannt und die Wohnungswirtschaft wird, wie z.B. in Leipzig, von Anfang an in die Steuerungsgruppe geholt.

Felix Lüter: Die Wohnungswirtschaft MUSS an der Wärmeplanung mitwirken. Sie muss ihre eigenen Transformationsplanungen für die Defossilisierung der Portfolien einbringen. V.a. muss sie realistische verbleibende Wärmebedarfe und Klimapfade sowie Sanierungsquoten beisteuern. Sie kann sich dafür stark machen, dass sowohl investitionsseitig als auch bezogen auf die Endverbraucherkosten die kostengünstigsten Lösungen zum Einsatz kommen. Sie kann sich dafür einsetzen, dass über Wärmenetze hinaus, v.a. auch auf die Entwicklungsplanung von Strom- und Gasnetzen gleichermaßen geachtet wird. Nicht zuletzt ist es wichtig darauf zu achten, dass die Planung möglichst verbindlich und transparent erfolgt. All dies brauchen letztlich die Bestandshalter als Abgleich für ihre eigenen Planungen.

Alexander Rychter: Wohnungsunternehmen und -genossenschaften kennen ihre Quartiere am besten. Mit ihren CO2-Bilanzen und Klimastrategien können sie wichtige Informationen über ihre Gebäude und Quartiere für die Erstellung kommunaler Wärmepläne bereitstellen. Daher muss die örtliche Wohnungswirtschaft in die kommunale Wärmeplanung von Anfang an einbezogen werden. Das funktioniert zum Beispiel in Bochum sehr gut, wo die Wohnungswirtschaft in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit anderen Akteuren, wie der Kommune und den Energieversorgern, an der kommunalen Wärmeplanung arbeitet.

Bernd Schnabel:

  • Teilnahme an den Planungsprozessen der Wärmepläne
  • Bereitstellung von Daten
  • Investitionen in erneuerbare Energien
  • Energieeffizienzmaßnahmen und Gebäudesanierung
  • Einsetzen für klare rechtliche Rahmenbedingungen
  • Bürgerbeteiligungen
  • Austausch mit anderen Unternehmen

Bianca Skottki, EBZ Akademie: Wie sehen die neuesten Entwicklungen und Trends in der kommunalen Wärmeplanung aus, die die Wohnungswirtschaft kennen sollte?

Felix Lüter: Die Wohnungsunternehmen sollten sich der erheblichen Einflüsse auf die eigene Bestandsentwicklung bewusst sein. Nicht jedes Wärmenetz ist zwingend die beste, kostengünstigste Lösung. Die Kenntnis möglicher Defossilisierungspfade mit Investitionskosten und Heizkosten für das eigene Portfolio ist eine wichtige Voraussetzung für einen zielführenden Diskurs im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung. Der Datenaustausch ist einerseits bislang noch herausfordernd. Andererseits liegt der Fokus bislang oftmals auf IST- und nicht auf Zieldaten für 2045. Das Thema Anschluss- und Benutzungszwang ist zu beachten: Dieser muss immer sachlich begründet sein. Bei bereits vorhandenen regenerativen Wärmeversorgungsanlagen oder bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ist der Zwang nicht durchsetzbar. Die frühzeitige Beteiligung aller wesentlichen Akteure ist wesentlich, um eine möglichst robuste und realitätsnahe Planung zu erstellen. Die Planung ist nicht verbindlich. Sie sollte aber mindestens einen intensiven Austausch über gemeinsame Lösungen der Akteure bewirken.

Alexander Rychter: Aus unserer Sicht wichtig ist die Kopplung der kommunalen Wärmeplanung mit den Fristen des Gebäudeenergiegesetzes. Dass die Vorgaben des GEG erst gelten, wenn ein kommunaler Wärmeplan vorliegt, ist entscheidend, damit die Informationen aus dem Wärmeplan in die Investitionsentscheidungen für den Heizungstausch einbezogen werden können. Andernfalls werden Potenziale verschenkt und die Kosten in die Höhe getrieben – und das ist weder im Interesse der örtlichen Wohnungswirtschaft und ihrer Mieterschaft noch der Kommunen oder der Energiewirtschaft.

Bernd Schnabel:

  • Digitalisierung und smart Cities
  • Sektorenkopplung
  • Power-to heat-Technologien
  • Fernwärme aus erneuerbaren Quellen: Kalte Nahwärmenetze; Transformation bestehender Fernwärmenetze
  • Bürgerbeteiligungen und soziale Innovation

Categories:

Tags:

Comments are closed