Im Vorfeld der Veranstaltung „Strategieentwicklung und Digitalisierung“ hat die EBZ Akademie in Person von Bianca Skottki mit Joachim Blätz und Prof. Dr. Nicole Jekel ein Interview über den aktuellen Stand von Strategieentwicklung, Digitalisierung und welche Rolle KI spielt. Joachim Blätz ist selbständiger Berater für die Finanz- und Immobilienwirtschaft. Jahrelang war er in gehobenen Führungspositionen in Großbanken und zuletzt 12 Jahre im Vorstand einer großen Wohnungsbaugenossenschaft mit Spareinrichtung tätig, die er durch einen umfangreichen Change-Prozess zu einem modernen Wohnungsunternehmen entwickelte. Die digitale Transformation und strategisches Management zählen zu seinen Spezialgebieten. Prof. Dr. Nicole Jekel ist nach 20 Jahren in der Industriewirtschaft seit 2008 Professorin für Controlling, seit 2012 an der Berliner Hochschule für Technik. Sie hat sich profundes Praxiswissen in der Wohnungswirtschaft, Projektierung und auf Baustellen aufgebaut. Ergänzend forscht sie zum Performance Management, insbesondere zu den Nachhaltigkeitsaspekten Ökonomie, Ökologie und Soziales.

Bianca Skottki: Was hat sich durch Corona für die Wohnungsunternehmen hinsichtlich Ihrer Strategieentwicklung und -planung geändert?

Joachim Blätz:  Die Kommunikationswege und das Kommunikationsverhalten wurden durch die Möglichkeiten des digitalen Austauschs in sehr kurzer Zeit stark verändert. Trotz aller Vor- und Nachteile des mobilen Arbeitens ist festzuhalten, dass so manches Unternehmen stark über die schnelle Veränderung der Arbeitswelt überrascht war. Die neue Art der Zusammenarbeit und einhergehende Anforderungen an Führungskräfte wirkte sich auch auf die Unternehmenskultur aus. Eine weitsichtige Planung und die Fähigkeit zur Improvisation werden im künftigen Marktumfeld wichtige Eigenschaften sein, die ein Unternehmen vorhalten muss.

Prof. Dr. Nicole Jekel: Die COVID-19-Pandemie hat viele Veränderungen für Wohnungsunternehmen mit sich gebracht und hat dazu geführt, dass sie ihre Strategieentwicklung und -planung anpassen mussten. Einige mögliche Auswirkungen der Pandemie auf Wohnungsunternehmen sind:

  • Veränderungen im Mietverhalten: Die Pandemie hat das Mietverhalten von Menschen verändert und möglicherweise dazu geführt, dass mehr Menschen in ländliche Gebiete oder größere Wohnungen umgezogen sind, um mehr Platz für Home-Office und Home-Schooling zu haben. Wohnungsunternehmen müssen möglicherweise ihre Marketingstrategien anpassen, um auf diese Veränderungen zu reagieren.
  • Finanzielle Herausforderungen: Die Pandemie hat dazu geführt, dass Menschen ihre Arbeit verloren haben oder in Kurzarbeit gegangen sind, was dazu führen kann, dass sie Schwierigkeiten haben, ihre Miete zu bezahlen. Wohnungsunternehmen müssen möglicherweise Maßnahmen ergreifen, um ihre Einkünfte zu sichern, z. B. durch Verlängerung von Mieterleichterungen oder durch die Einführung von flexiblen Zahlungsplänen.
  • Anpassungen im Betrieb: Wohnungsunternehmen müssen möglicherweise ihre Betriebsprozesse anpassen, um sicherzustellen, dass sie den neuen gesetzlichen Anforderungen und Vorschriften entsprechen.

Insgesamt hat die COVID-19-Pandemie dazu geführt, dass Wohnungsunternehmen ihre Strategien und Pläne anpassen mussten, um auf die sich verändernden Bedingungen und Bedürfnisse ihrer Mieter und der allgemeinen Öffentlichkeit zu reagieren. Letztlich kann die COVID-19-Pandemie als Digitalisierungsbeschleuniger in der Wohnungswirtschaft gesehen werden.

Bianca Skottki: Wie stark denken Wohnungsunternehmen Strategieentwicklung Digitalisierung zusammen? Wo besteht immer noch der größte Handlungsbedarf?

Joachim Blätz:  Nach meiner Beobachtung orientierte sich die Wohnungswirtschaft in der Vergangenheit auf im Wesentlichen zwei Themen:

  1. Prozessoptimierung
  2. Kundenservice

Was ich jedoch auch beobachten konnte, dass nicht immer die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden getroffen wurden. Digitale Lösungen oder Prozesse sollen „Probleme“ beseitigen und nicht neue schaffen. Daher sollte der Nutzen immer im Vordergrund stehen! Eine Mieter App, zeigt sich, ist nicht die alleinige Problemlösung. Ein Beispiel ist das Thema Erreichbarkeit: Hier gäbe es wunderbare Lösungen, um die Kommunikation mit dem Mieter zu optimieren. Leider sind lange Warteschleifen am Telefon immer noch alltägliche Phänomene.

Des Weiteren erlebe ich hin und wieder, dass zu viele Ideen auf einmal angegangen werden. Ein strategisches und priorisiertes Vorgehen nach einer einhergehenden Analyse des Problems, welches mit Hilfe der digitalen Transformation gelöst werden soll, hilft hier sicherlich, die Ziele auch zu erreichen. Ein oder zwei erfolgreich abgeschlossene Projekte sind mehr wert als fünf, die nicht zu Ende gebracht werden. Die Ressourcen sind begrenzt, finanziell wie personell.

Prof. Dr. Nicole Jekel: In den letzten Jahren haben viele Wohnungsunternehmen die Digitalisierung als wichtigen Teil ihrer Strategieentwicklung betrachtet, um ihre Geschäftsprozesse zu optimieren und ihren Mietern einen besseren Service zu bieten. Dazu gehören z. B. die Einführung von Online-Portalen für Mieter, die es ihnen ermöglichen, ihre Miete zu bezahlen oder Reparaturen anzufordern, oder die Nutzung von Datenanalyse-Tools, um die Leistung der Wohnungsunternehmen zu verbessern.

Trotzdem gibt es immer noch Handlungsbedarf, wenn es darum geht, die Digitalisierung in Wohnungsunternehmen voranzutreiben. Einige Bereiche, in denen möglicherweise noch Verbesserungen erforderlich sind, könnten sein:

  1. Mieterbeteiligung: Viele Wohnungsunternehmen haben noch keine digitalen Plattformen eingerichtet, über die Mieter ihre Ideen und Anregungen einbringen können. Eine solche Plattform könnte dazu beitragen, die Beteiligung der Mieter zu fördern und ihnen eine größere Stimme in Entscheidungen zu geben, die das Wohnumfeld betreffen.
  2. Verwaltung von Mietverträgen und Zahlungen: Es gibt immer noch viele Wohnungsunternehmen, die Mietverträge und Zahlungen auf Papier verwalten, was mühsam und fehleranfällig sein kann. Die Einführung von digitalen Lösungen zur Verwaltung von Mietverträgen und Zahlungen könnte dazu beitragen, den Betrieb zu vereinfachen und Fehler zu vermeiden. Zudem könnten Rechnungen schneller erfolgen und Zahlungen eher eingehen, so dass sich die Digitalisierung auszahlt.
  3. Kommunikation mit Mietern: Viele Wohnungsunternehmen setzen immer noch hauptsächlich auf traditionelle Kanäle wie Briefe oder E-Mails, um mit ihren Mietern zu kommunizieren. Es gibt jedoch auch andere digitale Möglichkeiten, wie z. B. Chatbots oder Social-Media-Plattformen, die für die Kommunikation genutzt werden könnten. Dies würde die Zufriedenheit und Bindung erheblich fördern.

Insgesamt gibt es also noch viel Handlungsbedarf, wenn es darum geht, die Digitalisierung in Wohnungsunternehmen voranzutreiben. Die Einführung von digitalen Lösungen kann dazu beitragen, den Betrieb zu vereinfachen und die Mieterbeteiligung zu fördern.

Bianca Skottki: Welche Entwicklungen und Tools gibt es außerhalb der Wohnungswirtschaft, um die Herausforderungen von Strategieentwicklung im zunehmend digitalisierten Zeitalter gerecht zu werden?

Joachim Blätz:  Das Eine ist die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und Projekte durchführen wollen, das Andere ist die Fachkompetenz auch entsprechend vorzuhalten. Ich meine damit, es braucht eine breite Übereinstimmung auf der ersten und zweiten Führungsebene, mit neuen „agilen“ Tools und Methoden zu arbeiten. Kurz: ein „Comittment“ oder dasselbe „mind-set“. Digitale Prozesse einzuführen, bedeutet auch, Kompetenzen abzugeben, vielleicht sogar an einen Algorithmus, der von nun an den Prozess begleitet und Entscheidungen trifft.

Damit dies im Unternehmen umgesetzt werden kann, bedarf es entsprechender Fachkompetenzen. Da diese nicht in der Ausbildung zum Immobilienwirt vermittelt werden, sollte verständlicherweise auf externe Expertise zurückgegriffen werden. Dennoch ist die gezielte Ausbildung zu Projektmanagern oder sog. Scrum-Mastern etc. im angestammten Personal wichtig! Dies setzt wiederum voraus, dass ich auch konsequent und nachhaltig Budgets bereitstelle, um meine Ziele zu erreichen.

Nicht umsonst spreche ich gerne von der digitalen Transformation, da das gesamte Umfeld (stakeholder) und alle Bereiche eines Unternehmens betroffen sind. Allein mit dem Kauf eines Tools ist noch nichts erreicht.

Prof. Dr. Nicole Jekel: In den letzten Jahren haben sich viele Entwicklungen und Tools etabliert, die Unternehmen bei der Strategieentwicklung im digitalen Zeitalter unterstützen können. Einige Beispiele sind:

  1. Digitalisierungsplattformen: Es gibt verschiedene Plattformen, die Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel Low-Code-Plattformen, die es ermöglichen, schnell und einfach digitale Anwendungen zu erstellen, oder Plattformen für die Automatisierung von Geschäftsprozessen (z. B. Robotic Process Automation).
  2. Cloud-Computing: Cloud-Computing bietet Unternehmen die Möglichkeit, IT-Ressourcen (z.B. Speicher, Rechenleistung, Datenbanken) online zu nutzen und somit flexibler und skalierbarer zu werden.
  3. Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning: KI und Machine Learning können Unternehmen bei der Analyse von großen Mengen von Daten und der Vorhersage von zukünftigen Ereignissen unterstützen. Sie können zum Beispiel dazu beitragen, Prozesse zu optimieren oder neue Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren.
  4. Collaboration-Tools: Es gibt viele Tools, die es Teams ermöglichen, von überall aus zusammenzuarbeiten, z. B. Videokonferenz-Tools, Projektmanagement-Software oder Chat-Apps. Diese Tools können dazu beitragen, die Zusammenarbeit zu verbessern und die Entscheidungsfindung zu beschleunigen.
  5. Datenvisualisierung: Tools für die Datenvisualisierung ermöglichen es, komplexe Daten in anschaulicher Form darzustellen und somit leichter verständlich zu machen. Sie können bei der Analyse von Daten und der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielen.

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