Fragen und Antworten der Expertenrunde

Am 30. März 2023 fand das EBZ Führungsforum „Klimaneutralität und Energiemanagement“ erneut indigitalem Format statt. Das EBZ hat mit Unterstützung des VdW Rheinland Westfalen und weiterer Verbände die aktuellen Anforderungen sowie Lösungen in puncto Klimaziele diskutiert. Die wichtigsten Punkte unseres Expertenpanels haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

Panel-Mitglieder:

  • Axel Gedaschko, Präsident GdW
  • Oliver Niermann, Abteilungsleitung Interssenvertretung VdW
  • Christoph Kostka, Geschäftsführer VNW
  • Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitz EBZ
  • Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, EBZ Business School
  • Dr. Jörg Kruhl, CMO Ampeers Energy

Welche Konsequenzen hat der Weg zur Klimaneutralität?

Panel-Antworten:

In Berlin ist ein Volksentscheid zu Klimaneutralität krachend gescheitert. Das zeigt, dass die Konsequenzen von Klimaneutralität sehr konkret in den Köpfen der Menschen angekommen sind. Die Bezahlbarkeit der diskutierten Maßnahmen betrifft die Menschen unmittelbar. Der abstrakte Wunsch nach Klimaneutralität ist vorhanden, konkret stellen die Maßnahmen die Menschen aber vor große Probleme. Bei allem „Wollen“ muss man auch das „Können“ sehen.

Serielles Sanieren ist eine Lösung. Besonders sollten Maßnahmen an „Worst Performing Buildings“ gefördert werden, da hier der größte Effekt zu erzielen ist. Auch mit Blick auf das EPPD der EU ist das vernünftig, denn bis 2032 müssen die schlechtesten 45% des Gebäudebestands saniert sein. Aktuell kommt Deutschland auf eine Quote von 1% pro Jahr. Selbst mit einer – unrealistischen – Verdreifachung der Kapazitäten im Handwerk wäre die Vorgabe nicht erreichbar.

Diese Vorgaben sind völlig absurd. Im Trilog zwischen EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission muss die Frage nun geklärt werden. Bis Sommer ist mit einer Lösung zu rechnen.

Die geleakten Gesetzespläne des Bundeswirtschaftsministeriums waren so absurd, dass man sich fragt, wer so etwas überhaupt aufschreibt. Die soziale Verkraftbarkeit hat dabei nie eine Rolle gespielt, ebenso wenig die Machbarkeit. Das neue von der Koalition beschlossene Papier ist deutlich besser. Ein fundamental besserer Punkt ist, dass Gasheizungen bestehen bleiben dürfen, wenn sie H2-ready sind.

Dabei ist in Bezug auf Förderung an Besitzerinnen und Besitzer von Immobilien gedacht worden, aber offenbar nicht an Vermieterinnen und Vermieter und deren Mieterinnen und Mieter. Unser Eigenkapital ist endlich, irgendwie müssen die Kosten wieder erwirtschaftet werden. Dazu brauchen wir Unterstützung, sonst werden wir die Klimaziele nicht erreichen, weil uns vorher das Geld ausgeht.

Das bevorstehende Solarpaket dürfte immerhin verhindern, dass Vermieter unfreiwillig zu Energieversorgern werden, wenn sie Mieterstrom anbieten.

Was können Unternehmen jetzt tun?

Panel-Antworten:

In NRW haben wir eine gute politische Kultur und bessere Förderszenarien als auf Bundesebene. Daher sind wir sehr froh, dass es eine landesrechtliche Förderung gibt. Die Nachfrage nach Informationen zu Förderungen ist riesig. In NRW denken wir unter anderem in Quartierslösungen, denn im Quartier ist man nie allein und kann vernetzt agieren. Das hilft zum Beispiel bei der kommunalen Wärmeplanung, und es ist sichtbar, dass bei den kommunalen Unternehmen die Gesprächsbereitschaft wächst.

An die Unternehmen appelliere ich, sich frühzeitig mit den kommunalen Akteuren zu vernetzen, um Teil der kommunalen Planungen zu sein. Wir müssen mehr in Zielen denken statt in Normen.

Was die Finanzierung angeht, müssen wir so ehrlich sein, auch über Mieterhöhungen zu reden, denn anders lassen sich die Maßnahmen nicht bezahlen.

Als Initiative Wohnen 2050 stellen wir unseren Mitgliedsunternehmen Informationen und Werkzeuge zur Verfügung. Wir müssen so schnell wie möglich von fossilen Energieträgern weg. Unsere Initiative hilft den Unternehmen dabei, sich gegenseitig zu unterstützen. Kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 1500 Wohneinheiten können den Umbau nicht alleine stemmen und sollten sich zu Netzwerken zusammenschließen und voneinander lernen. Gehen Sie jetzt auf die kommunalen Versorger zu und wirken an den Konzepten für Ihre Quartiere mit. Das gilt sowohl für die kommunale Wärmeplanung als auch für die Planung von Stromnetzen.

Die Unternehmen müssen die notwendigen Schritte organisieren. Klimaneutralität ist eher ein ökonomisches Thema als ein technisches. Die Tauschpflichten bei fossilen Heizungen sind eine große ökonomische Herausforderung, und die CO2-Abgabe ein wichtiger Faktor für die Liquidität. Darum ist es besser, Gebäude zuerst zu defossilisieren, bevor man sich um die Gebäudehülle kümmert. Das heißt: Anlagentausch vor Dämmung.

Es ist nicht absehbar, wie sich die Energiepreise entwickeln werden. Trotz der Hinwendung zu erneuerbaren Energien wird es Energie nicht zum Schleuderpreis geben. Für die Wohnungswirtschaft bedeutet das, dass wir der Energiebeschaffung mehr Aufmerksamkeit widmen und mit Versorgern kooperieren müssen. Wahrscheinlich müssen wir auch in Eigenverantwortung Strom erzeugen und Anlagen in Kooperation mit anderen Erzeugern betreiben.

Die Problematik ist so komplex, dass in jedem Betrieb eine „eierlegende Wollmilchsau“ benötigt wird, die das große Querschnittsaufgabe „Klimaneutralität“ managed. Es gibt kein Berufsbild in einem Wohnungsunternehmen, das sich nicht mit diesem Thema befassen muss. Hausmeister brauchen ein Grundverständnis für Klima, Energie und Nachhaltigkeit. Sie müssen mit den Mieterinnen und Mietern kommunizieren können, denn sie sind der erste Ansprechpartner, wenn es einem Mieter zu kalt in der Wohnung ist. In der Betriebskostenabteilung müssen sich Menschen mit Mieterstrom auskennen und mit CO2-Preisen kalkulieren können. Im Zahlungswesen müssen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Fördertöpfen auskennen und entsprechende Anträge formulieren können. Das geht so weiter über das Controlling und die technische Abteilung bis zum Datenschutzbeauftragten – und natürlich zum Vorstand, der sich fragen muss, mit welchem Geschäftsmodell das Unternehmen sein Geld verdienen soll. Um das abzudecken, werden wir einen „Klimaführerschein“ anbieten, mit dem alle Mitarbeiter in der Wohnungswirtschaft diese Grundkenntnisse erwerben können.

Dazu müssen kaufmännische und technische Kompetenzen vereint werden. Gemeinsam mit IW2050 haben wir den Zertifikatslehrgang „Klima-, Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement“ erstellt. Der versetzt Unternehmen in die Lage, das Problem kurzfristig anzugehen, indem bestehende Mitarbeiter weitergebildet werden.

Als mittelfristige Lösung gibt es den Studiengang „B.Sc. Nachhaltiges Energie- und Immobilienmanagement“. Interessanterweise bekommen wir viele Anfragen, ob wir Absolventinnen und Absolventen dieses Studiengangs vermitteln können. Andererseits melden aber viel zu wenige Unternehmen Studierende für diesen Studiengang an. Es wird also momentan sehr stark nach kurzfristigen Lösungen gesucht, nach mittelfristigen zu wenig.

Die benötigten Kompetenzen sind auf dem Arbeitsmarkt kaum vorhanden und durch die anstehende Verrentung der Boomer wird gerade in den technischen Abteilungen viel Wissen verloren gehen. Das bedeutet, dass sich Unternehmen neu organisieren und auf Kompetenzen wie Neugier, Vernetzung und Kooperation setzen müssen. Diese Future Skills sind einer der Schwerpunkte, mit denen die EBZ

Akademie auf die Unternehmen zugeht. Die Unternehmen müssen jetzt massiv in die Weiterbildung ihrer eigenen Arbeitskräfte investieren.

Sanieren oder abreißen – Umbau oder Neubau?

Panel-Antworten:

In jedem Gebäude und steckt „graue Energie“. Darunter versteht man den Rucksack, den ein Gebäude oder eine Energieform mit sich herumträgt. Denn irgendwo müssen ja der Strom und die Energie herkommen, mit denen eine Photovoltaikanlage oder Baumaterialien hergestellt und transportiert wurden.

Die Wohnungswirtschaft kann noch so klimaneutral werden und alle Sektorenziele erreichen – aber bei der produzierenden Industrie fällt dennoch Energie an, die wir dann als graue Energie mitberücksichtigen sollten. Denn der CO2-Abdruck eines Gebäudes entsteht schon allein dadurch, dass es errichtet wurde.

Wenn wir alle Sparpotenziale beim Heizen und bei der Energieversorgung ausgereizt haben, steigt der prozentuale Anteil der grauen Energie. Daraus folgend sollte auch die Produktion von Gebäuden in den Fokus rücken und die Umweltverträglichkeit des gesamten Lebenszyklus‘ eines Gebäudes betrachtet werden. Denn am Ende des Tages sind Gebäude Sondermülldeponien.

Mithilfe der Datenbank „Ökobaudat“ lässt sich für jedes Gebäude eine Lifecycle Analysis (eLCA) ermitteln. Das hilft bei der Beantwortung der Frage, ob ein Abriss oder eine Sanierung der ökologisch sinnvollere Weg ist – oder wie ein Gebäude saniert wird. Eine Wärmepumpe gilt zwar als klimaneutral, doch das in ihr verwendete Kältemittel trägt seinerseits zur Klimaerwärmung bei. Würde dieses Mittel durch Propan ersetzt, wäre dieser Effekt deutlich geringer.

Ein weiteres Beispiel ist der Wechsel von einer Doppel- auf eine Dreifachverglasung. Dadurch wird das Gebäude formal klimaneutraler. Bezieht man die graue Energie, die bei Herstellung, Transport und Montage der Fenster anfällt, mit ein, gerät das Gebäude zunächst in ein Energiedefizit. Gleiches gilt für PV-Anlagen, deren Solarzellen in China mit Hilfe von Kohlestrom hergestellt werden. In einem Quadratmeter Photovoltaik stecken daher 1086 kW/h und ein CO2-Fußabdruck von 36 bis 82 Gramm pro kW/h – je nach Herkunftsland. Die Payback-Zeit, um dieses Defizit an grauer Energie abzubauen, beträgt bis zu zwei Jahre.

Das alles gilt besonders dann, wenn ein Gebäude abgerissen und an seiner Stelle ein neues errichtet werden soll. Abriss und Neubau verursachen ein großes Energiedefizit. Aus Klimaschutzgründen sollte man daher Gebäude lieber erhalten und sanieren, statt sie abzureißen und neuzubauen.

Das Thema „Graue Energie“ muss bei jedem nachhaltigen Bauprozess mitberücksichtigt werden.

Wärmepumpen im Bestand sind möglich, allerdings sind sie in Punkto Klimaneutralität nur so gut wie der Strom, aus dem sie gespeist werden. Grundsätzlich gilt das sogar auch für klassische Mehrfamilienhäuser aus der Nachkriegszeit.

PV-Anlagen werden früher oder später zwangsläufig auf den Dächern der Wohnungswirtschaft errichtet werden, weil die zur Verfügung stehende Fläche riesig ist. Wenn dann eine Wärmepumpe mit Geothermie und Photovoltaik gekoppelt wird, ist man fast unabhängig vom Strommarkt, solange der nicht für die Wärmeerzeugung benötigte Strom an die Mieter verkauft werden darf.

Es gilt also: Neue Heizungslösungen mit Wärmepumpe sollten immer ganzheitlich mit Photovoltaik und Mieterstrom gedacht werden. Dann ist ihr Einsatz auch ohne Dämmung der Fassade möglich und sinnvoll.

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